Emanzipation im Treppenhaus

Eine Würdigung der Serie Die Hausmeisterin

Vergangenen Freitag freute sich @MintzePfeffer über Frauen, die spontan ein Impulsreferat über Die Hausmeisterin halten können. Das sind gute Menschen! Ich gehe sogar so weit, dass sich in München Lebende erst als Münchner:in bezeichnen dürfen, wenn sie Die Hausmeisterin (natürlich auch Münchner Geschichten, Monaco Franze, und Kir Royal) gesehen haben. Beim Stöbern im Netz stellte ich feste, dass der Bayerische Rundfunk die Serie ab kommenden Montag wöchentlich mit Doppelfolgen wiederholt.
Das gibt mir die Gelegenheit, die Serie zu würdigen.

Natürlich ist es eine Serie über München, speziell aus Haidhausen, wie auch der Untertitel verrät. Es gibt sehr viele Außenaufnahmen, wie man sie heute aus finanziellen Gründen in Serien leider nicht mehr zu sehen bekommt. Man bekommt einen Eindruck von Haidhausen, wie es von der Bevölkerungsstruktur schon vor 30 Jahren nicht mehr so war, wie dargestellt. Aber ein wenig verklärende Nostalgie darf es in einer Unterhaltungsserie schon sein. Es ist auch ein Wiedersehen mit vielen beliebten, einigen inzwischen verstorbenen Schauspieler:innen, die noch ein Bairisch sprechen wie man es im Viertel vereinzelt, zum Beispiel in der Metzgerei Vogl, noch hören kann, und das nicht so künstlich klingt wie in Lansing.

Aber Die Hausmeisterin ist auch eine Serie von Frauen über Frauen! Die Drehbücher stammten von Cornelia Willinger, Regie führten überwiegend Frauen, die Produzentin war Pia Arnold, und die Hauptfigur ist (natürlich) eine Frau. Das gibt der Serie einen Fokus, der selbst für heutige Verhältnisse immer noch nicht selbstverständlich ist.

Die erste Folge beginnt damit, dass sich die Hauptfigur Martha Haslbeck von Josef scheiden lässt. Sie lässt sich von ihm scheiden, nicht er von ihr! Dass ihm die Scheidung gelegen kommt, weil er damit ohne eigenes Zutun für sein Ilse-Hasi frei ist, spielt eine untergeordnete Rolle.
Damit wird am Anfang gezeigt, wo es langgeht. Martha Haslbeck, eine Frau die zwischen Mitte 40 und Anfang 50 ist, beginnt ein neues Leben, das ihr nach der Scheidung zunächst einige Hürden zumutet. Die Stelle der Hausmeisterin in der Balanstraße, die sie schon als Gattin an Josefs Seite mehr oder weniger alleine ausfüllte, bekommt sie zunächst nur auf Probe. Da das Geld nicht zum Auskommen reicht, arbeitet sie sogar als Tankwart, um über die Runden zu kommen und ihre das Geld verprassende Tochter mit zu finanzieren. Aber sie lässt sich nicht unterkriegen und bekommt die Festanstellung, nachdem sie einen windigen Handwerker des Betrugs überführt hat. Sie lässt sich nix mehr gefallen und übersteht die anfänglichen Anfeindungen, als sie sich in einen Griechen verliebt. Costa muss aber auch erst lernen, was es bedeutet, mit einer „bayerischen Hex“ zusammen zu sein. Und sie zeigt Größe. Sie schmiert ihrem Ex-Mann ein Honigbrot, als er sein Leid über seine Frau beklagt, und gibt seiner Frau wiederum Schnaps und Raum, wenn sie an ihm verzweifelt.
Martha Haslbeck emanzipiert sich Folge für Folge und gewinnt menschlich und beruflich an Reputation, die sie als Frau an Josefs Seite nie bekommen hat und hätte. Sie spielt sie aber nie zu ihrem eigenen Vorteil aus, was selbst der auf das schnelle Geld fixierte Hausbesitzer Eggerer erfahren muss. Er arrangiert sich stillschweigend damit, dass es ihr egal ist, wer unter ihr Chef ist. „‘s Leben is hart – aber mir san‘s aa“, sagt Martha, als sie wieder auf Widerstände stößt. Aber sie hat gelernt, damit umzugehen. Die Freude über die gewonnene Freiheit lassen die Steine, die ihr in den Weg gelegt werden, kleiner erscheinen.
Martha Haslbeck ist keine Feministin, aber eine Frau, die sich im Treppenhaus emanzipiert hat.
Überhaupt werden verschiedene Frauenbilder gezeigt. Ihre Gegenspielerin Ilse Kugler (Ilse Neubauer), später Haslbeck, ist als Filialleiterin einer Bank erfolgreich im Beruf. Ihre Sehnsucht nach einem gut aussehenden und erfolgreichen Mann wird nur bedingt befriedigt. Als Gegenentwurf wird ihre Nachbarin Rosa Ostermeier (Sarah Camp) gezeigt, die als Hausfrau, Mutter und Ehefrau an die Grenzen ihrer Resilienz gerät. Und natürlich spielt ihre Tochter Christa (Bettina Redlich) eine große Rolle, die in Bezug auf Selbstständigkeit und Lebenspraxis mehr von ihrem Vater geerbt hat, als es Martha lieb ist.

Dass die Serie so gut gelungen ist, liegt natürlich auch an der Anfang des Jahres verstorbenen Veronika Fitz. Sie legte die Martha sehr facettenreich an. Wenn ihre Gegenüber sie wortreich bearbeiten, benötigt sie kaum Wörter, sondern lediglich ein wenig Mimik, damit man versteht, was sie davon hält. Gepaart mit dem schauspielerischen Rüstzeug, das sie nach Auftritten unter ihrem Vater und der Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule auf den großen Münchner Bühnen verfeinert hat, gelang es ihr vielleicht deshalb, die Rolle so authentisch auszufüllen, weil sie sich als Nachkommin des bis heute in der Öffentlichkeit männlich dominierten Fitz-Clans freischwimmen musste. Ihre komplizierten Beziehungen trugen auch dazu dabei, wie sie später sagte.
Dass Veronika Fitz, für die Martha Haslbeck mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, danach keine wirklich große Rolle mehr bekam, dokumentiert Fluch und Segen einer Serien-Hauptrolle. „Es kam nix. Dann hab ich halt den Bayer auf Rügen mit dem Fierek gespielt, weil ich meine Wohnung abbezahlen musste“, sagte sie später in Unter unserem Himmel. Ähnliche Rollen folgten. Ihr in der Dokumentation geäußerter Wunsch nach einer großen Rolle am Lebensabend blieb unerfüllt.

Offenbar traute man beim Bayerischen Rundfunk der Serie, die im Regionalfenster des Vorabendprogramms in der ARD erstausgestrahlt wurde, keinen großen Erfolg zu. Es wurden zunächst nur sechs Folgen produziert, was damals eher ungewöhnlich war. Die Skepsis bewahrheitete sich nicht – es folgten weitere 17 Episoden. Es wären noch mehr geworden, wenn Helmut Fischer nicht gestorben wäre.
Wenn die Serie einen Schwachpunkt hat, dann den, dass Helmut Fischer als Josef-Bärli eine etwas zu große Rolle spielt und diese als Stenz aus dem Monaco Franze wiederholt. Aber das ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass er Cornelia Willinger zum Schreiben ermutigte. Die Hausmeisterin ist ihre erste Arbeit fürs Fernsehen. Vermutlich sah man in ihm auch ein Zugpferd für die Serie, befand sich Fischer während dieser Jahre auf dem Höhepunkt seiner späten Popularität.
Das mindert die Qualität der Serie keineswegs. Sie ist in den über 30 Jahren hervorragend gealtert. Sie ist zeitlos und hat in Bezug auf die Präsenz von Frauen im Fernsehgeschäft leider immer noch Aktualität.
Die Hausmeisterin bedient leider auch die Sehnsucht nach guten zeitgenössischen Serien aus und über München, von denen bis auf die ersten beiden Staffeln von München 7 , die auch schon über 15 Jahre zurückliegen, leider nichts mehr nachkam.

Von Montag, 25.05.2020 werden wöchentlich zwei Folgen im BR Fensehen ausgestrahlt und danach für eine Woche in der Mediathek hinterlegt.

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Die Hausmeisterin auf BR.de
Die Hausmeisterin auf Wikipedia
Unter unserem Himmel über Veronika Fitz von 2014