„Ist das wirklich umsonst?“

Eindrücke aus der Messestadt Riem

Die Messestadt ist in den letzten Wochen erneut zu Unrecht in Verruf geraten. Der Mord auf offener Straße im vergangenen Frühjahr war und ist Wasser auf die Mühlen der Menschen, die das Viertel schon immer für ein Ghetto war. Meines Wissens war das der einzige große Vorfall in den letzten Jahren. Aber um Fakten geht es selten, wenn ein Bild manifestiert werden soll. Dass es mitten in der Stadt, zum Beispiel im Stachus-Untergeschoss, wesentlich mehr Gewaltdelikte gibt, wird ignoriert.

In dem Viertel ist städteplanerisch so ziemlich alles falsch gemacht worden, was man nur falsch machen kann. Sinnbildlich steht dafür die Betonwüste mit Einkaufszentrum Willy-Brandt-Platz. Das ist „München für Fortgeschrittene“ und entfaltet seine Blüte an grauen Novembertagen so richtig. Platz, ja sogar öffentlichen Raum, gibt es eigentlich genügend, aber es wird nichts daraus gemacht. Er ist nicht attraktiv. Auf Beton und Stein hält man sich eben auch im öffentlichen Raum ungern auf – im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt. Und mangelnde Wertschätzung für eigentlich nicht vorgesehene Nutzende drückt sich auch in Vandalismus aus.
Was die Messestadt rettet, ist der Riemer Park mit See. Ein im Nachhinein gelungenes Ensemble mit Schönheitsfehlern als Abfallprodukt einer erfolglosen, weil typisch für München überambitionierten Bundesgartenschau. Er ist Anziehungspunkt für Menschen aus dem Viertel, aber auch aus angrenzenden wie Trudering, Neuperlach sowie Nachbargemeinden wie Haar und Vaterstetten. Aber das ist ein Vergnügen, das jahreszeitlich überschaubar und wetterabhängig ist.

Spricht man mit Anwohnenden aus dem Viertel, wird schnell deutlich, dass die meisten gerne in der Messestadt wohnen. Teilweise leben sie sie über 15 Jahren dort. Das ist kein Stockholm-Syndrom, sondern Liebe. Zur Hood. Nachbar*innen, Orten – gerne werden auch die Riem Arcaden erwähnt –, soziokulturellen Vielfalt, und der Anbindung (U-Bahn!). Seit kurzem gibt es auch eine Stadtbibliothek – nach rund 25 Jahren. Das ist auch eine Aussage. Nur die Messebesucher*innen mögen sie nicht so. Wer mal während der Bauma durch das Viertel spaziert, kann das nachvollziehen.
Und sie wehren sich gegen die Stigmatisierung ihres Viertels, ihrer Herkunft. Die Jugendlichen belastet es, als Ghettokids gebrandmarkt zu werden. Sie negieren nicht mal Konflikte untereinander (die es in angeseheneren Viertel sicher auch gibt), aber sie wollen nicht darauf reduziert und deshalb diskriminiert werden.
Dem Babo der Messestadt, dessen Sohn die 2. Generation vertritt, zuzuhören, ist sehr wertvoll. Er differenziert zwischen Polizei und Polizei. „Die aus dem Revier sind in Ordnung.“ Das Problem sind die schwarzen Bereitschaftspolizist*innen, die das Viertel und ihre Bewohner*innen nicht kennen, was zu Eskalationen führt. Dazu tragen auch Jugendliche bei, die sich an falscher Stelle messen wollen – und immer den Kürzeren ziehen. Im schlimmsten Fall geraten sie in eine Spirale, aus der sie nur schwer oder gar nicht herauskommen. Dabei reden wir von Jugendlichen, Pubertierenden, die ihre Hormone qua Alter noch nicht im Griff haben können (und müssen!). Da knallt es eben mal.
Aber wenn Du aus der Messestadt bist und einen sogenannten Migrationshintergrund hast, hast Du wenig Möglichkeiten, Dich ohne Konsequenzen natürlich altersgemäß zwischen den Grenzen zu bewegen.

Dass sich der seit 15 Jahren versprochene Spielplatz vor der Haustür immer noch im Anfangsstudium befindet, wird angesprochen. In anderen Vierteln wäre das ein großes Thema. Aber scheinbarer Parkplatzklau in der Au ist wichtiger als ein Spielplatzfragment in der Messestadt.

Bevor Sie den Eindruck gewinnen, ich sei ein Messestadt-Experte, möchte ich anmerken, dass ich lediglich das zweite Jahr als Honorarkraft für die Stadt in dem Viertel arbeite. Und das auch nur im Sommer. Ich bin also nicht mehr als ein Schönwetter-Experte.

Das Allparteiliche Konfliktmanagement in München, kurz AKIM, bekommt immer wieder Mandate für die Messestadt. So waren wir letztes Jahr am Riemer See, um die dort Badenden, den See Genießende und eben auch Feiernde zu befragen, wie sie es dort finden, was sie für verbesserungswürdig halten (Toiletten, Kiosk, Beleuchtung in der Dunkelheit), woher sie kommen und überhaupt und sowieso. Konkretere Antworten entnehmen Sie bitte dem Jahresbericht 2022 (Seiten 7 und 8).
Seit ein paar Wochen sind wird dort, um mit Anwohnenden an verschiedenen Orten im Viertel ins Gespräch zu kommen. Das ist eine Konsequenz aus der Berichterstattung Anfang Juli.

Seit letzter Woche sind wir zusätzlich mit dem Projekt „Wir sind Messestadt“ auf der Südseite der Riem Arcaden zwischen Willy-Brandt-Platz und Platz der Menschenrechte. Wir sind unter der Woche nachmittags vor Ort und stellen Sitzsäcke zur Verfügung. Das Angebot richtet sich primär an Kinder und Jugendliche aus dem Viertel. Auf der Schotterfläche wird der farbige Blickfang sehr schnell wahrgenommen.
Kinder stürzen sich sofort darauf. Sie lassen sich sogar einfach fallen. Wo im öffentlichen Raum kann man sich einfach so fallen lassen? Oder sie spielen mit den Sitzsäcken. Man kann sich auf und unter Sitzsäcke legen und Sandwich spielen. Man kann sich auch damit bewerfen, tut ja nicht weh. (Liebe Erwachsene: Nicht nachmachen! So etwas können nur Kinder. Wenn wir das machen, brechen wir uns alles – und schauen dabei noch ziemlich peinlich aus.)
Erwachsene sind anfangs skeptischer, lassen sich aber nach einer kurzen Phase des Beobachtens nieder und genießen ihren Coffee to go. Einer bedankte sich für „eine chillige Mittagspause“ und will wiederkommen.

Und die 3. Bürgermeisterin Verena Dietl war am Dienstag vor Ort und nahm eine Sitzprobe. Sie hatte Spaß.

Über allem steht die Frage: „Kostet das was?“
„Nein, das kostet nichts.“
„Was, ist das wirklich umsonst?“
Nun ist München nicht für kostenfreie Angebote bekannt, aber ich musste schlucken, als ich heute dieses Gespräch führte. Dass sich Kinder und Jugendliche einen Sitzsack über Nacht kostenlos ausleihen dürfen, ist noch weiter von der Vorstellungskraft entfernt.
Was einem Großteil der in der Messestadt Lebenden gemein ist, dass sie nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Sie sind es gewohnt, für etwas bezahlen zu müssen. Das können sie sich nicht leisten und sind somit von vielen Dingen ausgeschlossen.
Die Kommerzialisierung des öffentlichen Raum ist nicht nur in der Messestadt ein Problem. Aber es drückt sich in einem stigmatisiertem Viertel deutlicher aus.

Es ist auch nicht so, dass in der Messestadt nichts passieren würde. Viele, auch Familien, erzählen, dass schon etwas geboten werde. Aber ich gewinne den Eindruck, dass einiges nebeneinander, aber nicht gemeinsam angeboten wird.
Ich kann nicht beurteilen, inwieweit die einzelnen Angebote die Familien, Kinder und Jugendlichen erreichen. Dafür bin ich zu sehr Außenstehender. Ich höre nur zu – und biete etwas an. Das ist eigentlich nichts Besonderes. Das interessante an der Tätigkeit sind die Nebensätze und die Beobachtungen.

Manchmal geht es auch nur um Verantwortung in Kleinen.
Wenn mich ein Zehnjähriger im Beisein seiner Mutter fragt, wer denn nun den Leihvertrag für den Sitzsack unterschreiben darf, und ich sage: „Du“, wächst der junge Mensch binnen Sekunden neben mir.

Es steckt sehr viel Potenzial in der Messestadt. Es ist ein junges Viertel, das nicht so saturiert wie viele andere innerhalb des Mittleren Rings mit seinen schönen Altbauwohnungen ist. Die Chance, aus diesem Potenzial, dieser soziokulturellen Vielfalt zu schöpfen und es nicht zu stigmatisieren, ist noch vorhanden.

Links:
Allparteiliches Konfliktmanagement in München (AKIM)
Aktion „Wir sind Messestadt“ Montag-Freitag zwischen 14 und 16 Uhr bis 22.09. an den Riem Arcaden (Südseite) zwischen Willy-Brandt-Platz und Platz der Menschenrechte

Müll

Es war wieder einer dieser typischen Dienste für AKIM am Wedekindplatz. Ein älterer Mann verbrachte nach Mitternacht einige Zeit am Platz und sammelte Müll ein. Zuerst sah es so aus, als würde aus den herumliegenden Tüten des benachbarten Schnellrestaurants nach Essbarem suchen. Es gibt nicht nur zahlreiche Flaschensammler*innen, sondern auch einige von akuter Armut betroffene Essenssucher*innen. Doch er suchte nicht nach Lebensmittel, sondern sammelte Tüten und andere Verpackungen auf, faltete sie sorgfältig und steckte sie in seinen großen Rucksack.
Ich bedankte mich bei ihm für seine Mühen und wir kamen ins Gespräch. Er sammle den Müll weniger um der Sauberkeit an Plätzen wegen, sondern vielmehr als Prozess des Lebens. Abfall gehöre zum Leben und sei Ausdruck einer Gesellschaft, die zu viel konsumiere. Er holte im weiteren Verlauf des Gesprächs sehr weit aus. Als sich das Gespräch nach einer vierte Stunde in eine Richtung bewegte, von der ich den Eindruck hatte, dass sie ins Verschwörungstheoretische abdrifte, beendete ich es mit dem Verweis darauf, mich mit meiner Kollegin besprechen zu müssen.

Man muss nicht so weit ausholen, um Müll als Problem zu begreifen. Speziell in Grünanlagen wie Isarauen und Englischer Garten bekommt man an Wochenend-Vormittagen ein Bild des Grauens. Das sind übrigens Plätze, die überhaupt nicht betreut werden. Die Wertstoffinseln mit davor abgestelltem Leergut und anderem Müll sind auch Ausdruck von Respektlosigkeit.

Wie man damit am besten umgeht, scheint strittig zu sein. Schaut man sich abends auf dem Wedekindplatz um, liegt eine Lösung auf der Hand: Müllvermeidung. Speziell das Schnellrestaurant produziert sehr viel Abfall. Die meisten Nutzenden sind bemüht, ihren Müll nicht achtlos liegen zu lassen. Sie stapeln ihn auf sehr vollen Abfalleimern, legen ihn daneben oder bilden rund um den Platz Häufchen. Die wenigsten lassen ihn achtlos liegen. Die Betreiber kümmern sich nur um den Abfall unmittelbar vor der Filiale. An dieser Stelle möchte ich die Damen und Herren vom Abfallwirtschaftsamt loben, die an Wochenenden in den frühen Morgenstunden die Mülleimer leeren!
Einige Plätze schauen jedoch ohne Müll so aus, als ob sie fern der politischen Wahrnehmung wären. Da muss man sich dann auch nicht über deren Vermüllung wundern.

Nun gibt es einen fraktionsübergreifenden Stadtratsantrag, sich des Problems anzunehmen. Sogenannte „WasteWatcher“ (sich sprachlich an einer sektenhaft wirkenden Diätkette zu orientieren, ist zweifelhaft) sollen uniformiert im öffentlichen Raum Menschen ansprechen und gegebenenfalls sanktionieren. Als Vorbild dient Hamburg. Inwieweit niederschwellige Ansprache von Platznutzenden darüber hinaus in der Hansestadt stattfindet, ist mir nicht bekannt.

Der Einsatz von besonders im Rechtsbereich und Konfliktmanagement geschulten WasteWatchern in Hamburg und deren tägliche „Bestreifung“ in Dienstkleidung, um Verschmutzungsdelikte einzudämmen und ggf. zu ahnden, hat zu einer wahrnehmbaren Abnahme des achtlosen Wegwerfens und der Entsorgung von Müll im öffentlichen Raum (Littering) geführt.

Man muss nicht in Konfliktmanagement ausgebildet sein, um zu wissen, dass sich Ahnden bzw. Bußgeld und Dialog auf Augenhöhe widersprechen. Ist man der Ansicht, das Problem im öffentlichen Raum mit Sanktionen zu lösen, muss man das entsprechend kommunizieren! Diesen Widerspruch darf man den Menschen, die die Personen ansprechen und eventuell gegen sie Bußgelder verhängen, auch nicht zumuten. Einerseits haben sie ein feines Gespür dafür, ob sie wirklich auf Augenhöhe angesprochen werden oder ihnen nur der Anschein erweckt wird. Das kann sich sehr schnell in die falsche Richtung entwickeln und zu vermeidbaren Aggressionen führen. Und ob es für Mitarbeitende beim Amt für Abfallwirtschaft eine „berufliche Perspektive“ ist, sich schwach anreden zu lassen, sei mal dahingestellt.
Der Antrag suggeriert auch, als würde das Thema Müll im öffentlichen Raum mit den Platznutzenden nicht angesprochen. Auf Verbesserungsmöglichkeiten angesprochen geben sie „mehr Mülleimer“ und Toiletten an. Seit diesem Jahr verteilen wir Honorarkräfte von AKIM Reiseaschenbecher und Mülltüten. Sie werden von ihnen dankbar angenommen. Das Problem in der ganzen Stadt lösen wir damit freilich nicht.
Dass es zu wenig Mülleimer in der Stadt gibt, übersieht der Antrag ebenfalls. Der vor zwei Jahren schön umgestaltete Arthur-Kutscher-Platz unweit der Münchner Freiheit verfügt nur über einen Abfalleimer, der immer voll ist. Die Anregung, einen zweiten aufzustellen, hängt fast ebenso lange in der Verwaltung fest.

(Bild: Dorin Popa)

Kreative Lösungen wie ein spezieller Pizzakartonbehälter am Wedekindplatz, der der Hartnäckigkeit des BA 12 zu verdanken ist, verharren als Pilotversuche. So werden im restlichen Stadtgebiet eben Pizzakartons auf Abfalleimer oder daneben gelegt. (Pizzakartons sind übrigens kein Papier-, sondern Restmüll!)

Pfandflaschenhalterungen wie zum Beispiel in Herrsching gibt es auch nicht.

Initiativen zur Müllvermeidung entwickeln sich nur sehr schleppend. Die dafür zuständige Kommunalreferentin Kristina Frank gibt sich, höflich ausgedrückt, sehr zurückhaltend. Ein Pfandsystem oder eine Verpackungssteuer einzuführen scheiterte 2020, als wegen Corona in der Gatsronomie nur Straßenverkauf möglich war, an ihrem Widerstand. Man hat es im Stadtbild sehr deutlich gesehen. Eine Verpackungssteuer einzuführen, ist laut Bundesverwaltungsgericht möglich.

Nur die Konsument*innen zur Verantwortung zu ziehen, wird dem Problem nicht gerecht. Die Gastronomie müssen ihren Anteil an der Lösung es Problems leisten. Darüber hinaus erscheint mir eine grundsätzlich niederschwellige Ansprache sinnvoller als im zweiten Satz mit Sanktionen zu drohen. Sollen die Menschen, die man dafür gewinnen will, nicht verheizt werden, gibt man ihnen Reiseaschenbecher, Mülltüten, etc. mit und kommt mit den Delinquent*innen ins Gespräch. Anregungen werden sie bekommen.
Der zu Beginn beschriebene Müllsammler wird auch so nicht arbeitslos werden.

Disclaimer: Ich arbeite als Honorarkraft für AKIM. Es ist gut möglich, dass sich meine Meinung nicht mit der Hauptamtlichen deckt! Meine Meinung basiert auf vielen Gesprächen, vielen geschriebenen Protokollen und vielen Beobachtungen über die Tätigkeit hinaus.

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Vielen Dank!

Heppel ohne Ettlich

Letzten Samstag, dem letzten Frühlingstag dieser Saison, machte der Hofflohmarkt in Schwabing Station. Ein Freund nannte ihn mal Schrottwichteln im Stadtteil. Unrecht hat er nicht, denn manche Dinge scheinen von Haus zu wandern. Ich gehe in der Regel nicht auf diese Flohmärkte, um etwas zu kaufen. Zumindest suche ich nichts. Man bekommt an diesen Samstagen Einblicke in die ansonsten nicht zugänglichen Hinterhöfe.

Kunst. Sonst gilt ein Hofflohmarkt in Schwabing nicht!

In vielen Höfen verstecken sich viele Garagen. Diese Flachbauten fressen vor der Öffentlichkeit verborgen sehr viel versiegelte Fläche. Darunter leidet auch die Fläche davor, die nicht zum Aufenthalt einlädt. Einige Höfe sind jedoch sehr schön, nachbarschaftlich gestaltet.

In die Kaiserstraße war sehr viel los. Zwischen Belgrad- und Römerstraße machte jedes Haus mit. Spontan musste ich an die Straßenfeste denken.
Und dann entdeckte ich Henny Heppel, einen Teil der legendären Kneipe in der Kaiserstraße. Er erkannte mich anfangs nicht, erinnerte sich aber schnell an mich.

Henny Heppel in der Kaiserstraße. Hinten links das ehemalige Heppel & Ettlich.

Mit dem Heppel & Ettlich verbinde ich nicht nur erste Kneipenerfahrungen. Ich ging als Kind am Sonntag Vormittag ins Kinderkino, das im Theaterrraum stattfand. (Dass Helge Schneider einst dort vor 15 Zuaschauer*innen auftrat, kann man sich heute nicht vorstellen.) Später arbeitete ich dort ehrenamtlich mit. Lutz Neumann, der beim Bayerischen Rundfunk unter anderem für das Kinderprogramm arbeitete, gründete es und hielt es, bis der Kampf gegen DVD’s verloren war, mit sehr viel Liebe am Leben. Bevor sie das Heppel & Ettlich eröffneten, begannen sie im Jennerwein, der während der Pandemie das zeitliche segnete.
Für eine viertel Stunde schwelgten Henny und ich in alten Zeiten. Die Kneipe nicht mehr zu haben, empfindet er als Luxus. In Schwabing wohnt er auch nicht mehr. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, bei Wolle Ettlichs kurzem Comeback im Neukölln in der Clemensstraße hinter dem Tresen auszuhelfen. Die drei alten Herren – Lutz gehört dazu – sind mit der kleinen Bühne über dem Drugstore, das heute eine Hamburgerei ist, am Wedekindplatz sehr glücklich. Einzig beim Straßenfest wurden wir ein wenig sentimental. Als er auf die Frage, wie alt ich sei, „50“ zur Antwort bekam, erschrak er kurz. Jetzt traute ich mich auch zu fragen, wie alt er sei. 76. Henny hat sich gut gehalten. Und er berlinert auch nach 50 Jahren in München wie eh und je.
Sie haben ihren Anteil an der Fortschreibung der Schwabinger Geschichte.

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Am Nachmittag fuhr ich nach Haidhausen, wo ich nicht in Erinnerungen schwelgte. Anlass dazu hätte es gegeben, lebte ich doch 18 Jahre dort. Am Bordeauxplatz, einem der schönsten Plätze in der Stadt, netzwerkten wir politisch ein wenig und brachten in lockerer Atmosphäre Anliegen vor, die auf offene Ohren stießen.

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„Warum heißt es Münchner Freiheit, wenn man nix darf?“ Die Frage als Reaktion, dass die Musikbox direkt vor einem Wohnhaus an dem Platz von den Anwohnenden als zu laut empfunden werden kann, war nicht schlecht. Ja, München muss noch lernen, mit das Leben genießenden Menschen im öffentlichen Raum so zu umzugehen, dass das nicht regelmäßig zu Konflikten. Dafür sind wir von AKIM auch an einigen Plätzen. Aber die Box war kurz vor Mitternacht schon sehr laut. Die Frage konnte ich ihm leider nicht beantworten. Aber er fand einen anderen Ort im Forum, um dort lauter Musik zu hören.

Dass in der Occamstraße eine Privatparty stattfand, die um kurz vor 2 den Wedekindplatz übertönte, wussten wir da noch nicht.

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Am Sonntag war plötzlich Sommer. Über Nacht. Über sehr kurze Nacht. Denn das hatte sich um 2 Uhr, als ich meinen Arbeitsplatz verließ, nicht angekündigt. Darauf war ich nicht vorbereitet.

Ich schaute beim Stadtgründungsfest vorbei – und erfuhr, warum ich es lange Zeit vermieden hatte. Ein paar Informationsstände, ein paar Fressbuden, Kinderkarussell und Menschen in Tracht. Alles, was man auf der Auer Dult auch haben, nur ohne Haushaltswaren. Auf das Riesenrad am Wittelsbacher verzichtete ich mit Rücksicht auf meinen schwächelnden Kreislauf.

Aber die Beflaggung vor der Feldherrnhalle, die die Alliierten leider nicht zerstört haben, war hübsch.

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Ich bemühe wieder um regelmäßigeres Bloggen.

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Der König von Thailand am Baldeplatz

Gestern begann auch für mich die AKIM-Saison. Es ist wie jedes Jahr ein Kaltstart, was nicht nur den noch sehr niedrigen Temperaturen geschuldet ist. Nach einem halben Jahr ohne Gespräche im öffentlichen Raum bin ich komplett aus der Übung und muss mich erst wieder herantasten. Gleichzeitig sollen die Kolleg*innen, die das erste Jahr dabei sind, spüren, dass ich den vollkommenen Überblick habe. Und die Platznutzenden sollen auch das Gefühl haben, dass man über alle Entwicklungen am Platz informiert ist. Das ist vor allem am Baldeplatz nicht unwichtig. Allerdings werden wir von unseren Vorgesetzten ganz gut vorbereitet, die sich auch im Winter mit öffentlichem Raum beschäftigen.

Das erste Gespräch kam schnell zustande und verlief prompt ganz anders als erwartet. Ein schon etwas älterer Platznutzender kannte uns nicht, freute sich aber mit uns zu sprechen. Ob wir wir was für ihn hätten. Einen Aschenbecher. „Ja, sehr gut!“. Aber er muss erst Pastillen lutschen, bevor er ihn benutzen kann. Ja, kein Problem. Und dann setzte sehr schnell seine Themen. Wir kamen nicht mal dazu uns vorzustellen.
Was denn passiere, wenn im Abfalleimer eine Atombombe hochgehe. Da können wir wohl nichts machen. Aber das wird dann wohl auch nicht mehr erforderlich sein. Er nickte und kam sofort auf seinen nächsten Punkt zu sprechen.
Der König von Thailand führe sich am Starnberger See schon sehr auf. Vor allem mit seinem Hubschrauber mache er ordentlich Lärm. Zum Glück wusste ich, dass der König am Starnberger See residiert und, wie ich neulich beiläufig aufschnappte, sogar zwei Villen dort besitzt, was ich umgehend ins Gespräch einbrachte. Das beeindruckte ihn nicht sonderlich. Was denn passiere, wenn der thailändische König hier am Baldeplatz auf der Bank säße. Ich zuckte mit den Schultern. Ob er uns erschießen würde? Keine Ahnung. Es ist aber nicht auszuschließen, weil er mit seinem Volk auch nicht gerade zimperlich umgeht. Ob er denn am Starnberger See lebt. Manchmal, aber eigentlich lebe er überall.
Und wenn der Putin die Wittelsbacher Brücke entlang spazierte. Der würde uns doch erschießen. Ich schloss das zumindest nicht aus.
Plötzlich waren wir in St. Pauli, wo er auf den Auftragsmörder Werner Pinzner zu sprechen kam und er sehr detailliert über den Tag im Hamburger Polizeipräsidium referierte. (Den Namen musste ich trotz Erinnerungen daran für diesen Text recherchieren. Ich ging von Karl-Heinz Schwensen aus, ahnte aber schon, dass ich den falschen meinte.)
Und am Schluss waren wir in Ramstein und ich musste mich ob der Geschwindigkeit der Themenwechsel kurz sortieren. Er zeigte mir einen Aufnäher auf seiner Jacke, der unter anderem drei herabfliegende Düsenjäger oder so zeigte. Auf dem Gebiet habe ich keinerlei Kompetenz. Und den Film Top Gun, den er in dem Kontext auch ansprach, habe ich nie gesehen. (Ich hielt es noch nie mit Tom Cruise.)

Die junge Kollegin wusste wohl nicht, wie ihr geschieht. Ich versicherte ihr, dass das ein sehr knackiger Einstieg, aber keins der üblichen Gespräche war und sich unser Gegenüber sehr zwischen Dichtung und Wahrheit bewegte. Es war nicht nur Alkohol im Spiel. Außerdem hätte das eher zum Wedekindplatz gepasst. Und ich musste feststellen, wie alt ich bin, weil mir alle angesprochenen Themen, von denen sich einige in den 80er Jahren abspielten, geläufig waren.

Die restlichen dreieinhalb Stunden verliefen normal mit uns zugewandten Platznutzenden und waren ein schöner Einstieg in die Saison.
„Ich geh jetzt tanzen“, verabschiedete sie sich um 2 Uhr. Zumindest hatte ich sie nicht kaputtgemacht.

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Ich ging etwas entspannter in den Abend, weil ich mittags ein Gespräch moderieren musste, was nicht auf dem Plan stand und ich gleichzeitig gefordert war, zu vermitteln und für eine Person Stellung zu beziehen. Weder das eine noch das andere gelang mir gut, weshalb ich mich letztlich um Schadensbegrenzung bemühte. Auch das gelang mir nicht wirklich.

Immerhin wusste ich, dass der Abend nicht schlimmer verlaufen konnte. Vielleicht sollte ich unbeabsichtigt nur trainiert werden, um nicht ganz kalt die neue Saison zu beginnen.

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