Schwarzbau auf dem Balkon

Als ich den zweiten Waschaufhang dem Wäscheständer auf dem Balkon zuführte, war ich ein wenig verwundert, wie aggressiv mich eine Wespe penetrierte. Ich überlegte, ob ich etwas gegessen hatte, was sie haben wollte. Das Frühstück lag aber länger zurück. Ich versuchte weiter, die Wäsche aufzuhängen. Dabei umschwärmte mich weiter eine Wespe. So sehr, dass sie mir auf den Hinterkopf stach. Sie hatte gewonnen.

Vom Wohnzimmer aus schaute ich mir das Treiben etwas genauer an. Eine Menge Wespen flogen hin und her. Für mich kristallisierte sich heraus, dass der Rolladenkasten ihr Zuhause ist. Ein Treiben wie am Trambahn-Betriebshof Einsteinstein zur besten Aus- und Einrückzeit.
Mit gebückter Haltung und immer wieder von Pausen unterbrochen hing ich die restliche Wäsche auf. Erstmals seit langem hatte ich Angst, von Wespen gestochen zu werden.

Der Anruf bei der Feuerwehr ergab, dass sie nicht mehr für die Räumung von Schwarzbauten zuständig ist. Der Kammerjäger ist nun dafür zuständig. Umsiedlung wegen Artenschutz. Er kommt heute Nachmittag. Wenig später rief er nochmal zurück. Ob er später kommen könne. Seine Auftragsbücher seien voll. Fachkräftemangel, wohin man blickt.

Der letzte Wespenstich davor lag lange zurück. So lange, dass ich nicht mehr nachvollziehen kann, wann das war. Auf jeden Fall war er nicht nachhaltig. Passiert eben.
Gestern war es anders. Innerhalb weniger Minuten steigerte ich mich ein Psychospiel mit mir rein. Ich wartete auf eine allergische Reaktion und überprüfte mich sekündlich. Mir wurde schummrig. Ich sah mich in der Notaufnahme und war drauf und dran, die vereinbarte Führung abzusagen. Das scheiterte daran, dass ich keine Telefonnummer von den Buchenden. Den eilends angerufenen Ersatz erreichte ich nicht.
Auf der Fahrt ins Museum überprüfte ich meinen Körper auf mögliche Reaktionen – und fand natürlich welche. Pusteln an Beinen und Armen. Gleichzeitig war ich mir bewusst, dass eine allergische Reaktion wahrscheinlich unmittelbar nach dem Stich eingesetzt hätte. Aber das war meiner Psyche egal.
Fremdgesteuert ging ich die üblichen Schritte vor einer Führung. Tore öffnen, Fahrzeuge aufsperren, etc.

Die Besucher*innen kamen sehr pünktlich. Das kam meiner Psyche und mir entgegen. Zu Beginn noch recht fahrig fand ich schnell die gewohnte Routine und konnte auf ihre Bedürfnisse eingehen.
Nach zweieinhalb Stunden hatte ich meinen Psychostress weggeführt.

Ich reagiere nicht allergisch auf Wespenstiche. Noch nicht. Ich ging früh zu Bett, weil meine Psyche den Körper ordentlich beanspruchte.
Den Wespen ist das egal. Sie fliegen fröhlich hin und her. Bis heute Nachmittag, wenn der Kammerjäger den Schwarzbau räumt.

8 Gedanken zu “Schwarzbau auf dem Balkon

  1. Ohjeh, Du armer…

    Mich hat die letzte gestern erwischt, davor vor einer Woche und wenn ich es mir Recht überlege, sticht mich im Sommerhalbjahr, zumindest gefühlt, alle drei Wochen eine Biene oder Wespe.

  2. Ich hatte meinen ersten und einzigen Wespenstich vor drei Jahren. Glimpflich. Aber danach hatte ich auch mal ein Wespennest in einem Rollladenkasten. Das Fenster und der Rollladen wurden nicht oft genutzt und die Wespen waren friedlich, wir hielten es also eine Saison miteinander aus.

  3. Ist das Nest endlich weg? Interessanterweise kann man in Gartencentern einfach Sprays zur wespenvernichtung kaufen. Finde ich komisch, weil ich dachte, dass die Viecher Profis bedürfen.

  4. ach weisst Du … einfach mal eine Saison miteinander auskommen – und nächstes Jahr einfach frühzeitig die Einfluglöcher mit Tüchern verstopfen, die Du z.B. mit Citronella-Öl tränkst. Das hassen sie wie die Pest.

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