Der entlarvende Kater einer selbstbesoffenen Allianz

Als vor zehn Tagen in einem Beitrag der Sportschau der bekannte Wintersportler Paul Breitner mit den Worten, lieber für die Olympischen Spiele 2022 als für „Unsinn Steuern zu bezahlen“, zitiert wurde, gewann ich die Zuversicht, daß die breite und finanziell potente Allianz mit ihrem Ansinnen scheitern könnte. Einen Tag später erfuhr ich, daß die Bedienungen in einem bekannten Münchner Wirtshaus zwischen Marienplatz und Stachus „OJa2022“-Buttons tragen mussten. Tags darauf wurde bekannt, daß DB Regio in der S-Bahn ihre Fahrgäste mit der akustischen Aufforderung, doch gefälligst bitte für die Bewerbung zu stimmen, behelligte.
Eine inhaltsleere, intransparente Kampagne sah ihr Allheilmittel in der letzten Woche darin, das Wahlvolk auf allen Wegen mit Werbung zuzuschütten.

Dennoch war ich überrascht, daß die Niederlage des Schulterschlusses zwischen Politik, Wirtschaft und Sport so deutlich ausfiel. Die einzelnen Abstimmungen mögen mit Ausnahme des Landkreises Traunstein knapp ausgefallen sein, aber ein 0:4 ist insgesamt eine krachende Niederlage.

Eine Niederlage, die hinterher vor allem schlechte Verlierer hervorbrachte. Der designierte höchste deutsche Sportfunktionär, Alfons Hörmann, redete sich in Blickpunkt Sport (nachzusehen in der Mediathek) um Kopf und Kragen, als er jegliche finanzielle Belastung für die Steuerzahler bestritt und das Gebaren des IOC sogar vor seinem verduzten Verbündeten Christian Ude mit einer Mischung aus Arroganz und Ignoranz leidenschaftlich verteidigte. Die in Kitzbühel lebende Irrlichtgestalt Franz Beckenbauer bezeichnete die Wähler gar als dumm und sprach sich sogleich gegen Volksentscheide aus, und der Präsident der Eisschnelllauf-Gemeinschaft Gerd Henze echauffierte sich über fehlenden „Arsch in der Lederhose“, weil das Volk das finanzielle Risiko scheute.
Wer mit einer demokratischen Entscheidung nicht leben kann, hat den Sieg nicht verdient.
Einzig Christian Neureuther zeigte sich als fairer Verlierer, als er anerkannte, einen Wettkampf verloren zu haben, und ankündigte, sich umgehend wieder mit seinem Garmischer Kontrahenten Axel Döring an einen Tisch zu setzen. In der Abendzeitung zeigte er sich selbstkritisch: „Wenn über 50 Prozent gegen unsere Idee sind, muss der Fehler bei uns liegen.“

Warum man den mit Despotismus gepaarten Gigantismus von Sochi nicht kritisieren darf, wenn man gegen Olympische Spiele im Voralpenland ist, konnten die Verlierer hinterher immer noch nicht erklären. Investitionen von 3,3 Milliarden Euro mögen gefühlt nur ein Zehntel dessen sein, was Putin wegsprengt hat, haben dennoch wenig mit Nachhaltigkeit zu tun. Welchen Zweck haben Gebäude und Spielstätten, die nach den Spielen nicht mehr benötigt und wieder abgerissen werden? Was sind 1300 Wohnungen, die nach dem „Fest“ frei werden, wenn bis 2030 ca. 50.000 benötigt werden? Und warum stellt die Bundeswehr nur bei einer Zusage besagten Teil des Geländes zur Verfügung, den sie offensichtlich nicht mehr benötigt?
Die Begeisterung für Olympische Spiele wäre größer gewesen, wenn es in den letzten Jahren gelungen wäre, Großprojekte wie die Hamburger Elbphilharmonie, den Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 innerhalb des ursprünglichen Zeit- und Budegetrahmens zu bauen.

Das Verhalten der Sportfunktionäre bestätigt das schlechte Gefühl, das die Mehrheit der Wähler hatte. Es ist angenehmer, deren entlarvenden Kater nach der Niederlage zu ertragen, als in achteinhalb Jahren den Scherbenhaufen einer selbstbesoffenen Allianz zu beseitigen.
Die olympische Idee hat bessere Repräsentanten und Konzepte verdient.

3 Gedanken zu “Der entlarvende Kater einer selbstbesoffenen Allianz

  1. Warum man den mit Despotismus gepaarten Gigantismus von Sochi nicht kritisieren darf, wenn man gegen Olympische Spiele im Voralpenland ist, …

    Zur Sicherheit, dass ich Dich richtig verstehe, weil es mir auf den ersten Blick so absurd erscheint: die Protagonisten der Bewerbung haben ungefähr gesagt, wer gegen die Münchner Bewerbung sei, dürfe dann aber auch nicht den Ansatz von Sotschi kritisieren?

  2. Pingback: NOlympia-Presseschau für November 2013 » Nolympia

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